Kurt Weill entstammte einem jüdischen Elternhaus. Sein Vater Albert Weill kam aus Kippenheim, einer einstmals blühenden jüdischen Landgemeinde in Baden. Er war zur Zeit von Kurts Geburt Kantor der jüdischen Gemeinde in Dessau, später auch in Eichstetten am Kaiserstuhl. Kurt war der drittälteste Sohn. Seine Brüder Nathan und Hans wurden in den beiden vorhergehenden Jahren geboren, seine Schwester Ruth 1901. Im Alter von fünf Jahren begann Kurt Weill mit dem Klavierspiel, und erste Kompositionen entstanden im jugendlichen Alter. Er besuchte die Oberrealschule in Dessau und glänzte dort vor allem mit seinen musikalischen Tätigkeiten. Noch nicht 18 Jahre, begleitete er bereits eine Dessauer Opernsängerin am Klavier bei Liederabenden, wobei auch erste Lieder von Kurt Weill zum Besten gegeben wurden.
Kurt Weill begann 1918 mit dem Studium der Musik an der Hochschule für Musik in Berlin. 1920 folgte dann ein Engagement als Kapellmeister am Stadttheater Lüdenscheid. Maßgebend für sein späteres Schaffen, insbesondere seine Opernästhetik, wurde die Zeit als Schüler Ferruccio Busonis. Weill arbeitete bereits in seinen frühen Opernprojekten ab 1925 mit bekannten Schriftstellern wie Georg Kaiser und Yvan Goll zusammen. 1927 begann er mit Bertolt Brecht zusammenzuarbeiten, woraus 1928 Die Dreigroschenoper entstand.
Weill hatte schon vor 1927 mit Einflüssen zeitgenössischer Tanzmusik gearbeitet, unter anderem in der Oper Royal Palace. Davon und besonders vom Jazz-Stil eines Paul Whiteman ist auch der ab 1927 entwickelte sogenannte "Songstil" Weills sehr stark geprägt. Am prägnantesten wird diese Stilistik in der „Dreigroschenoper“ und in Happy End angewandt. Parallel damit benutzte er auch eine neoklassische bzw. neobarocke musikalische Sprache, so z. B. in der Ouvertüre zur Dreigroschenoper, in der Hurrikanszene von Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny und vor allem durchgängig in der Oper Die Bürgschaft.
Die Rezeption seiner Musik (besonders von anderen Komponisten) ist geteilt. Während Die Dreigroschenoper überaus populär wurde, lehnten Komponistenkollegen wie Arnold Schönberg und Anton Webern sie vollkommen ab. Andere wie Alban Berg, Theodor W. Adorno und Alexander Zemlinsky zeigten jedoch großes Interesse an den Arbeiten Weills. Berg besuchte eine Aufführung von Mahagonny, und Zemlinsky setzte sich als Dirigent für das Quodlibet, op.9 (1923) und Mahagonny (1930) ein.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 flüchtete Weill nach Paris, wo er im Auftrag für das Théatre des Champs-Elysées ein Ballett mit Gesang (Die sieben Todsünden, Text B. Brecht) komponierte und seine Zweite Symphonie vollendete. In Deutschland fielen seine Werke der Bücherverbrennung im Mai 1933 zum Opfer, 1935 emigrierte Weill in die USA. Ein Hauptwerk der frühen Exilzeit ist Der Weg der Verheißung bzw. The Eternal Road, ein Bibelspiel, das die Geschichte des jüdischen Volkes darstellt. Es ist eine Mischung aus Schauspiel, Liturgie und Oper.
In den USA hatte Kurt Weill in den 1940er Jahren großen Erfolg am Broadway mit verschiedenen Musicals und erhielt 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Im selben Jahr wurde sein Stück "We will never die" (über die Shoa) uraufgeführt. Bemerkenswerte Werke aus Weills letzter Schaffensperiode sind die „amerikanische Oper“ Street Scene, die eine Synthese zwischen europäischer Oper (die Puccini-Einflüsse sind unüberhörbar) und amerikanischem Musical darstellt, und die die südafrikanische Apartheid thematisierende und musikalisch mit afrikanisierenden Stilmitteln arbeitende „musikalische Tragödie“ Lost in the Stars. Am 3. April 1950 starb Kurt Weill an einem Herzinfarkt in New York, mitten in der Arbeit an einem Musical nach Mark TwainsHuckleberry Finn.
Kurt Weill war seit 1926 mit der Schauspielerin und Chansonsängerin Lotte Lenya verheiratet, einer Interpretin und Protagonistin seiner Werke. Nach einer vorübergehenden Trennung im Jahr 1933, während der die Ehe geschieden wurde, heiratete das Paar 1937 ein zweites Mal.
Weills Nationalität
Kurt Weill ausschließlich als deutschen Komponisten zu bezeichnen, würde weder seinem Werk noch seiner Person gerecht. Als er 1947 vom Magazin Life als deutscher Komponist bezeichnet wurde, protestierte Weill in einem öffentlichen Brief: „Obgleich ich in Deutschland geboren bin, bezeichne ich mich nicht als ‚deutschen Komponisten‘. Die Nazis haben mich eindeutig nicht als solchen bezeichnet, und ich verließ ihr Land 1933 ... Ich bin amerikanischer Staatsbürger, während meiner zwölf Jahre in diesem Land habe ich ausschließlich für die amerikanische Bühne komponiert ... Ich würde es begrüßen, wenn Sie Ihre Leser auf diese Tatsache hinweisen könnten.“
Sein Name ist zumindest im deutschsprachigen Raum untrennbar mit Bertolt Brecht verbunden und steht oft im Schatten des Dichtergenies. Diese Einengung allerdings tut dem Komponisten Kurt Weill Unrecht. Auch zu Lebzeiten musste Weill sich immer wieder zu diesem Thema verteidigen. In einem Interview 1934 sagte er zu einem dänischen Journalisten, der ihn zu den gemeinsamen Werken mit Brecht befragte: „Das klingt ja fast, als glaubten Sie, Brecht habe meine Musik komponiert? ... Brecht ist ein Genie; aber für die Musik in unseren gemeinsamen Werken, dafür trage ich allein die Verantwortung.“
Ob in Deutschland, Frankreich oder Amerika, seine kontrastreiche Musiksprache erstaunte immer wieder durch eine Vielseitigkeit, in der Avantgarde und Assimilation auf das selbstverständlichste miteinander verbunden sind. Es ist wenig bekannt, dass Jazz-Standards wie Speak Low oder September Song und der französische Tango Youkali beispielsweise aus Weills Feder stammen. Interpreten wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Frank Sinatra oder auch Nick Cave, Elvis Costello und The Doors haben nicht nur einmal bewiesen, dass Weills Kompositionen auf das Vielseitigste musikalisch umgesetzt werden können und heute ebenso Gültigkeit haben wie damals. So wird auch verständlich, dass Langston Hughes, der schwarze amerikanische Dichter, der die Songtexte für „Street Scene“ schrieb, einmal über Weill sagte: „Wäre er in Indien eingewandert und nicht in die Vereinigten Staaten von Amerika, hätte er, wie ich fest glaube, wundervolle indische Musik geschrieben (...). Darum kann Deutschland Weill als Deutschen, Frankreich ihn als Franzosen, Amerika ihn als Amerikaner und ich ihn als Schwarzen ausgeben.“
1949 : Lost in the Stars (Musical Tragedy, Text: Maxwell Anderson)
Pantomimen, Ballette
1922 : Zaubernacht, Kinderpantomime in einem Akt op. 7 (Szenarium und Liedtext: Wladimir Boritsch)
1933 : Die sieben Todsünden, gesungenes Ballett (ballet chanté) für Sopran, Männerquartett und Orchester (Libretto: Bertolt Brecht)
Kantaten
1920 : Sulamith, Chorfantasie für Sopran, Frauenchor und Orchester (verloren)
1927 : Der neue Orpheus, Kantate für Sopran, Solo-Violine und Orchester, op.16 (Text: Yvan Goll)
1928 : Das Berliner Requiem, Kleine Kantate für Tenor, Bariton, Männerchor (oder drei Männerstimmen) und Blasorchester (Text: Bertolt Brecht)
1929 : Der Lindberghflug, Kantate für Tenor, Bariton und Bass-Solisten, Chor und Orchester (Text: Bertolt Brecht, erste Fassung mit Musik von Paul Hindemith und Weill, zweite Fassung, ebenfalls 1929, mit Musik ausschließlich von Weill)
1940 : The Ballad of Magna Carta, Kantate für Tenor und Bass-Solisten, Chor und Orchester (Text: Maxwell Anderson)
1937 : Albumblatt für Erika (Transkription der Pastorale aus Der Weg der Verheißung)
Werke für Orchester
1919 : Suite für Orchester
1919 : Die Weise von Liebe und Tod, Symphonisches Gedicht für Orchester nach Rainer Maria Rilke (verloren)
1921 : Symphonie No.1 in einem Satz für Orchester
1922 : Divertimento für Orchester, op.5 (unvollendet, rekonstruiert von David Drew)
1922 : Sinfonia Sacra, Fantasia, Passacaglia und Hymnus für Orchester, op. 6 (unvollendet)
1923 : Quodlibet, Suite für Orchester aus der Pantomime Zaubernacht, op. 9
1925 : Konzert für Violine und Blasorchester, op. 12
1927 : Bastille Musik, Suite für Blasorchester (arrangiert von David Drew, 1975) aus der Bühnenmusik zu Gustav III, von August Strindberg
1928 : Kleine Dreigroschenmusik, Suite aus der Dreigroschenoper für Blasorchester, Klavier und Schlagwerk, (Uraufführung dirigiert von Otto Klemperer)
1934 : Suite panaméenne für Kammerorchester, (aus Marie Galante)
1934 : Symphonie No.2 in drei Sätzen für Orchester, (uraufgeführt vom Royal Concertgebouw Orchester unter Bruno Walter)
Lieder, Liederzyklen, Songs und Chansons
1919 : Die stille Stadt, für Stimme und Klavier (Richard Dehmel)
1923 : Frauentanz, Liederzyklus für Sopran, Flöte, Viola, Klarinette, Horn und Fagott (nach mittelalterlichen Gedichten)
1923 : Stundenbuch, Liederzyklus für Bariton und Orchester (Rainer Maria Rilke)
1925 : Klopslied, für hohe Stimme, zwei Piccoloflöten und Fagott ('Ick sitze da un' esse Lops'/Berliner Lied)
1928 : Berlin im Licht-Song, slow-fox, Text: Kurt Weill; komponiert für die Ausstellung Berlin im Licht, über die neuesten Beleuchtungstechniken; Uraufführungen im Wittenbergplatz (Orchester) am 13 Oktober, und am 16 Oktober in der Krolloper (Stimme und Klavier)
1928 : Die Muschel von Margate: Petroleum Song, slow-fox, Text: Felix Gasbarra fûr das Theaterstück von Leo Lania, Konjunktur
1928 : Das Lied von den braunen Inseln, Text: Lion Feuchtwanger, für das Stûck desselben Autoren, Petroleum Inseln
1933 : La Complainte de Fantômas, Text: Robert Desnos; für eine Rundfunksendung Fantômas in November 1933 (die Musik war verloren, nachher rekonstruiert von Jacques Loussier für Catherine Sauvage)
1933 : Es regnet, Text: Jean Cocteau (direkt auf deutsch)
1934 : Je ne t'aime pas, Text: Maurice Magre für die Sopranistin Lys Gauty
1934 : J'attends un navire, Text: Jacques Deval, aus Marie Galante ; als unabhängiges Lied, für Lys Gauty; wurde zur Hymne der Resistance während des 2. Weltkrieges
1934 : Youkali (zuerst: Tango habanera, Instrumentalsatz in Marie Galante), Text: Roger Fernay
1939 : Stopping by Woods on a Snowy Evening, Song für Stimme und Klavier (Robert Frost) (unvollendet)
1942-44 : Propaganda Songs, für Stimme und Klavier; im Rahmen der Lunch Hours Follies für die Arbeiter eines Schiffbauwerkstattes in New-York urauffgeführt, dann rundfunkgesandt; und zwar:
1942 : Und was bekam des Soldaten Weib?, Ballade für Stimme und Klavier (Brecht)
1942-47 : Three Walt Whitman Songs, später Four Walt Whitman Songs für Stimme und Klavier (oder Orchester)
1944 : Wie lange noch ?, Text: Walter Mehring; Uraufführung: Lotte Lenya
Diskografie
Songs, The Seven Deadly Sins + Happy End, Lotte Lenya (rec. 1957+60 CBS), (1988 Columbia)
Lotte Lenya sings Kurt Weill's, The Seven Deadly Sins & Berlin Theatre Songs (Sony 1997)
The Threepenny Opera, Lotte Lenya and Others, conducted by Wilhelm Brückner-Ruggeberg (Columbia 1987)
Rise and Fall of the City of Mahagonny, Lotte Lenya/ Wilhelm Brückner-Rüggeberg (Sony 1990)
Berliner Requiem/Violin Concerto op.12/Vom Tod im Wald, Ensemble Musique Oblique/Philippe Herreweghe (Harmonia Mundi, 1997)
Kleine Dreigroschenmusik/Mahagonny Songspiel/Happy End/Berliner Requiem/Violin Concerto op.12, London Sinfonietta, David Atherton (Deutsche Grammophon, 1999)
Eternal Road (Highlights), Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester/Gerard Schwarz (Naxos, 2003)
Symphonies No.1 and No.2/ Lady in the Dark, Symphonie Nocturne, Bournemouth Symphony Orchestra/Marin Alsop (Naxos, 2005)
Speak Low, Songs by Kurt Weill & the Seven Deadly Sins – Die Sieben Todsünden, Anne Sofie von Otter: Mezzosopran, Bengt Forsberg: Piano; NDR-Sinfonieorchester: John Eliot Gardiner (Deutsche Grammophone, 1994)
Kurt Weill, Berlin & American Theater Songs. Compilation, (CBS-Rec. 1988)
Anita Ammersfeld. Ich Liebe Dich Nicht: Anita Ammersfeld Singt Kurt Weill (Preiser, 2003).
Martin Gore. Counterfeit 2 (Mute, 2003) Beinhaltet Lost In The Stars
Annette Postel. Kurtweilliges – Eine Biografie in Musik (Burger und Müller, Karlsruhe, 2003). (1.Preis Lotte-Lenya-Gesangswettbewerb der Kurt-Weill-Foundation, http://www.annette-postel.de).
Slut. Songs aus Die Dreigroschenoper (Virgin, 2006). Obwohl Slut dreizehn Lieder aus der Dreigroschenoper aufgenommen haben, erlauben die Nachlassverwalter Kurt Weills die Veröffentlichung von lediglich fünf Stücken.
Tom Waits. What keeps mankind alive Orphans (ANTI, 2006) "Bastards" disc 3,1.
1981 : Teresa Stratas. The Unknown Weill, mit Richard Woitach, Klavier; Elektra Asylum/Nonesuch Record 7559-79019-2
1986 : Teresa Stratas. Stratas sings Weill,mit dem Y Chamber Symphony Orchestra (Conductor: Gerard Schwarz) ; Elektra Asylum/Nonesuch Record 7559-79131-2
Sonstiges
Alljährlich findet in Dessau das Kurt-Weill-Fest statt. Dieses dauert in der Regel zehn Tage. Zu den Veranstaltungen gehören Ausstellungen, Vorträge und musikalische Darbietungen im Bereich Oper, Klassik und zeitgenössische Musik.